Licht - Sehorgan - Gehirn

Sehen ist mit Licht verbunden. Ohne Licht können wir nichts sehen. Licht wird von Lichtquellen (Sonne, Lampen, Kerzen, ...) ausgesandt, breitet sich im Raum aus, trifft auf feste Stoffe (Tischoberflächen, Glas, ...), Flüssigkeiten (Wasseroberflächen, ...), Gase (Erdatmosphäre, ...), wird dabei reflektiert, absorbiert, gefiltert, gebrochen, gestreut, ausgelöscht und gelangt durch die Linsen der Augen auf die Augennetzhaut. Dort wird das auftreffende Licht in einer Prozesskette in elektrische Nervenimpulse umgewandelt, die über den Sehnerv an das Sehzentrum im Hinterkopf geleitet werden. Im Gehirn wird aus den Impulsen die Umwelt (re-)konstruiert, die wir sehen.

Sehen ist ein Zusammenspiel der Komponenten Licht, Umwelt, Auge, Gehirn und bei der Untersuchung des Sehprozesses müssen physikalische, physiologische, neurologische, psychologische und soziologische/kulturelle Aspekte behandelt werden.
Physik: Lichtentstehung, Lichtausbreitung, Wechselwirkung zwischen Licht und Stoffen
Physiologie: physikalisch-chemische Abläufe im Sinnesorgan Auge
Neurologie: Prozesse im Gehirn bei der Verarbeitung der Sehnervenimpulse
Psychologie: Wahrnehmungspsychologie
Soziologie/Kulturwissenschaft: Einfluss des sozialen Umfelds auf das, was wir sehen.

Sehen als inverse Optik

Sehen ist ein informationsverarbeitender Prozess, der aufgrund von optischen Reizen ein Bild der Umwelt (re-)konstruiert. Inverse Optik deshalb, weil die dreidimensionale Umwelt auf der Netzhaut in zweidimensionale Verteilungen von Helligkeits- und Farbwerten abgeBILDet wird und das Gehirn aus diesen zweidimensionalen Bildern wieder ein inneres Abbild der dreidimensionalen Umwelt aufbaut. Da man aus zweidimensionalen Bildern nicht eindeutig die dazugehörige dreidimensionale Szene ableiten kann, ist es notwendig, im Sehprozess Vorwissen und Annahmen über die Umwelt einzubeziehen, damit eine für das Subjekt sinnvolle Lösung entsteht. Wenn diese Annahmen falsch sind, kommt es zu optischen Täuschungen.
Sehen ist somit keine Einbahn von der Umwelt über das Auge zum Gehirn, sondern eine permanente Wechselwirkung zwischen diesen.

Bilder sind zweidimensionale Verteilungen von Helligkeits- und Farbwerten.
Optik behandelt die Entstehung von Bildern aus dreidimensionalen Szenen.
Inverse Optik versucht aus zweidimensionalen Bildern und zusätzlichen Annahmen, eine dreidimensionale Szene zu rekonstruieren.

Farbsehen und Konstanzleistung

Licht ist eine Mischung aus elektromagnetischen Wellen verschiedener Wellenlänge. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung und der Intensität des einfallenden Lichts werden die Rezeptoren (Stäbchen und Zapfen) in der Netzhaut des Auges unterschiedlich angeregt und im Gehirn entsteht der Sinneseindruck von Helligkeit und Farbe. Wir sehen Grautöne, wenn bei geringer Lichtmenge nur die Stäbchen aktiviert werden. Werden auch die Zäpfchen angeregt, sehen wir Farben. Kommt das Licht von der Oberfläche eines Stoffes, so sehen wir den Stoff in der Farbe, die durch das vom Stoff reflektierte und ins Auge einfallende Licht im Gehirn erzeugt wird.

Beim Benennen von (Oberflächen-)Farben zeigt es sich jedoch wieder, dass das Gehirn Vorwissen und Annahmen über die Umwelt einbezieht. Denn von derselben Oberfläche gelangen bei unterschiedlicher Beleuchtung verschiedene Lichtmischungen zum Auge, die wir trotzdem als dieselbe Farbe empfinden und benennen. Hierbei handelt es sich um eine Konstanzleistung. Darunter versteht man die Wahrnehmung des Gleichbleibens eines Gegenstands unter veränderten Betrachtungsbedingungen.

Farbnamen bezeichnen demnach Wahrnehmungen, die eher den Oberflächeneigenschaften als den physikalischen Lichtmischungen entsprechen.


Konstanzleistung: In den vier Bildern empfinden und benennen wir das Blatt Papier als weißes Papier, obwohl die Ausschnitte im Vergleich völlig unterschiedliche Farbwerte zeigen.
Interessant ist auch, dass im dritten Bild in der unteren Reihe durch die Totalreflexion des Lichts an der glänzenden Oberfläche des Einbands, dieser nicht gelb sondern weiß erscheint.

Ergänzende und vertiefende Module