Fontographer - Vorhandene Schrift vektorisieren
Kartonschrift
Scannen einer Schrift
Wenn man nicht einfach nur nach einem fixen Schema die Buchstaben am Computer direkt konstruiert, sondern tatsächlich selbst eine Schrift entwirft, kann das je nach Perfektionsanspruch ganz schön in Arbeit ausarten. Man sollte dann auf jeden Fall Skizzen mit Bleistift auf Papier machen und die Ergebnisse scannen.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Oft ist es aber auch nur so, das man auf einer Kartonschachtel (oder einem alten Plakat oder einem Ladenschild auf dem Urlaubsfoto aus Marokko) eine lustige Schrifttype entdeckt, die man schnell mal scannen und in eine Schrift verwandeln möchte.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot

Das ist dann sinnvoll, wenn man doch mehrere Zeilen schreiben möchte oder einfach eine neue unverbrauchte Schrift verwenden möchte. Wenn man hingegen nur ein Wort oder ein Logo machen möchte, muß man dazu natürlich keine Schrift machen. Fast immer fehlen bei der Vorlage und Inspirationsquelle ein oder mehrere Buchstaben, die man aber mit etwas Phantasie meist selbst gut rekonstruieren und ergänzen kann.

In diesem Fall sind das die Buchstaben J, (das man aus einem G oder C macht), Q (O nach Wunsch mit geradem oder schiefem Strich) und V (Hälfte von W oder A umgedreht ohne Querstrich). Bei den meisten Beschriftungen werden weit mehr Buchstaben fehlen als nur drei, auch daß hier auf der Schachtel alle Ziffern vorhanden sind ist sehr angenehm.


%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Das Grundproblem dabei ist immer, daß man für eine Schrift die Konturen als Vektorgrafik braucht. Was für unterschiedliche Möglichkeiten es beim Umwandeln von Pixelbildern in Vektoren im Detail gibt: siehe die Grundlage Vektorisieren. Hier an dieser Stelle wird nur in Kurzform die Vektorisierung direkt in Fontographer und in Freehand behandelt.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Das Ausgangsmaterial für diesen Workshop, die Zwischenschritte und die fertige Schrift können hier heruntergeladen werden (auf der vorherigen Seite ganz unten). Ausgangspunkt ist hier diese Kartonverpackung. Die Beschriftungen auf manchen dieser Kartons sind einfach großartig. Ich habe keine genaue Ahnung, was das für ein Druckverfahren ist, nehme aber an, das es Hochdruckverfahren mit einer Art zusammensetzbarer Stempel ist, so sieht's zumindest aus. Weil keine Kleinbuchstaben vorhanden sind (aber genug Großbuchstaben), werde ich eine Variante des jeweiligen Großbuchstabens auch auf den Kleinbuchstaben legen.

Viele Anregungen zu alten Ladenschildern sind auch unter http://www.typemuseum.at/home zu finden. Gefundene Schriften als Font zu digitalisieren ist oft schwierig, weil sehr viel von dem materialgebundenen Charme der Beschriftungen durch die Transformation in Computer-Outlines verlorengeht.

Damit die Buchstaben gut vektorisiert werden können, sollte man die Helligkeit und den Kontrast optimal einstellen, ich habe hier die Schrift auf der Schachtel mit 600 dpi gescannt. Die einzelnen Buchstaben zum Laden in Fontographer gibt es auch hier zum Herunterladen. Eigentlich kann man die einzelnen Buchstaben so wie sie schwarzweiss gescannt vorliegen, auch schon gut im Layout verwenden (nur eben nicht als Schrift, sondern als Bilder), insbesondere ein Teil des wunderbar ausgefransten Randes geht beim Vektorisieren verloren.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Vektorisieren in Freehand
Das Vektorisierungstool in Freehand ist gar nicht mal schlecht und hat eine Menge brauchbarer Einstellungsmöglichkeiten. In Freehand wird nur die Bildschirmvoransicht zur Vektorisierung verwendet, Bilder die nicht schon in 72 dpi gespeichert sind sollten also größer aufgezogen werden.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Die Anzahl der Farben kommt auf den Wert zwei, weil wir die Schrift hier in Schwarzweiss brauchen. Ansonsten kann man hier alle Einstellungen auf "weit" und "offen" stellen, damit die einzelnen Buchstaben nicht zuviele Vektorpunkte bekommen. Dadurch wird die Form auch etwas ungenauer, was aber bei dieser Vorlage kein Nachteil ist. Wenn die Vektorform zuviele Punkte hat ist das nicht gut. Der Erfolg des Vektorisierens und die Anzahl der Punkte kann sich je nach Bildvorlage stark ändern, deshalb sollte man am Anfang immer mehrere Einstellungen des Nachzeichenwerkzeugs in Freehand probieren.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Man kann, weil meist zuviele Punkte erzeugt werden, in Freehand deshalb oft auch noch ->Xtras ->Säubern ->Vereinfachen anwenden.
Die Schrift wird dann ja meist nicht 10 cm groß sondern meist unter 2 cm Höhe verwendet, und muss deshalb gar nicht so extrem ausgefranst sein.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot

Achtung, ein einzelner Buchstabe sollte nicht aus mehreren hundert Vektorpunkten bestehen, für diesen Zweck war die Schrift nicht gedacht. Bei zu vielen Punkten pro Buchstabe kann es zu Problemen beim Arbeiten mit der Schrift und beim Drucken kommen.

Wenn man den ursprünglichen Buchstaben so gut es geht rekonstruieren will, kommt man um selber nachzeichnen mit der Maus ohnehin nicht herum.
Das sieht dann so aus und ist etliche Arbeit, die hier in der Übung etwas zu weit führen würde.


%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Speichern aus Freehand und laden/bearbeiten in Fontographer
Nach dem Vektorisieren stelle ich alle benötigten Buchstaben grüppchenweise in Zeilen zusammen.
Weil Fontographer jedes eps auf volle Oberhöhe skaliert, muß man sich mit einem "Transportkästchen" behelfen.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Wenn man abwechselnd kleinere und größere Vektorobjekte (zB Klein- und Großbuchstaben) ins Programm Fontographer lädt, diese aber trotzdem in einem gleichbleibenden Maßstab haben möchte, verwendet man jedes Mal ein gleich großes Kästchen (wie hier am Anfang jeder Zeile), das zumindest etwas höher als der höchste Buchstabe ist. (Wenn man das Kästchen nicht verwendet, wird zum Beispiel ein einzelner Punkt und ein A beim getrennten Laden in Fontographer auf dieselbe Höhe skaliert).

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Mit diesem Kästchen-Trick transportiert man alle Zeichen in derselben Größe zum Bearbeiten in Fontographer. Natürlich kann man auch in Fontographer die einzelnen Buchstaben (oder alle zusammen) noch skalieren, aber durch das Kästchen sind zumindest alle einmal in derselben Größe in Fontographer gelandet. A und O und U kann man auch gleich je zwei Stück mehr produzieren, damit auch die Umlaute ÄÖÜ etwas anders aussehen als AOU. Auf die Position des scharfen S kommen zwei große S, was von der Schreibweise her für Großbuchstaben auch richtig so ist.

Anschließend werden also die Buchstaben zeilenweise als EPS abgespeichert und in Fontographer geladen. Durch das Kästchen bleiben alle Buchstaben im gleichen Verhältnis, sonst würden die ÜÖ kleiner werden als niedrigere Buchstaben.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Die geladenen Buchstaben sollten gleich nach dem Laden auf Füllung auf 100% gebracht werden und nach unten auf die Grundlinie verschoben werden. "->Element ->Selection Info ->Fill: 100%" und "Stroke:" einfach komplett wegklicken.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Anschließend muß man noch alle Buchstaben in ihre entsprechenden Felder kopieren. Jeder Buchstabe wird genau an der Postion im Buchstabenbearbeitungsfenster eingesetzt, von der er kopiert wird "->Edit ->Copy/Paste".

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Eigentlich sollten die Buchstaben natürlich links am Ursprung stehen (bei einer professionellen Schrift gibt es eigentlich eine Vor- und Nachbreite jedes Buchstabens, aber so genau wollen wir es hier jetzt nicht machen). Damit man wenigstens nicht jeden Buchstaben von Hand nach links rücken muß, gibt es die Funktion "->Metrics ->Set Metrics" "Set equal to this value: 0". Das macht man dann erst am Schluß, wenn man alle Buchstaben an den Stellen eingesetzt hat, wo sie sein sollen. Wem das zu mechanisch und automatisch und schwierig ist, der kann natürlich auch jeden Buchstaben einzeln von Hand mit der Maus nach links schieben. Bevor man Automatikfunktionen verwendet, die man nicht gut kennt, sollte man vorher immer speichern, damit man im Fall des Nicht-Gelingens notfalls zur letzten Version zurückkehren kann.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Vektorisieren in Fontographer
Um in Fontographer selbst vektorisieren zu können oder zumindest ein Bild als Arbeitsvorlage in den Hintergrund zu stellen, muß das Bild Schwarzweiss sein. Außerdem müssen die einzelnen Buchstaben ausgeschnitten sein, zumindest auf ein paar Buchstaben in einer Zeile. Am Mac geht das am einfachsten mit copy-paste aus Photoshop. Nachdem ich davon ausgehe, daß man die Buchstaben in Freehand oder einem vergleichbaren Vektorgrafikprogramm erstellt, erkläre ich die Vektorisierung in Fontographer nicht im Detail.

Trotzdem, falls Fontographer nicht zur hand ist:
Die Einstellungsmöglichkeiten sind ähnlich wie in Freehand, und der Scan kann NUR über die Zwischenablage (copy-paste) in die Template-Ebene kopiert werden. Auch ein Pixelbild wird (wie ein EPS beim Laden auf auch Oberlänge ) automatisch auf Zeilenhöhe skaliert.

%eventuell Bildlegende zum Screenshot
Einstellung der Buchstabenabstände

Wenn alle Buchstaben fertig sind und alles zur Zufriedenheit gelungen ist, muß man noch die Buchstabenabstände einstellen.

Nachdem wir hier nicht eine qualitativ hochwertige Schrift machen wollen sondern nur einen Schnellschuß zur aktuellen Verwendung, rufen wir die Funktion "Auto Space" auf. Diese Funktion erstellt die Buchstabenabstände automatisch, ohne manuellen Eingriff. Man hat hier nur die Wahlmöglichkeit zwischen weiter oder enger, für diese Art Schrift ist weiter eher besser. Aufgrund der Automatik ist das Ergebniss auch weniger gut als bei manueller Einstellung, aber bei weitem ausreichend für unseren Zweck.

Jede normale Schrift hat unterschiedlich breite Zeichen, ein i ist viel schmäler als beispielsweise ein w. Deshalb müßen auch die Breiten der Buchstaben verschieden breit sein.


%eventuell Bildlegende zum Screenshot

Um jetzt die Buchstabenabstände zu sehen und zu kontrollieren, öffnen wir das Metrics-Fenster. Hier kann man durch einfaches Tippen der Buchstaben ihre Abstände sehen. Bei doppelten Buchstaben kann man sehr schön den alternativ-Buchstaben von der Position der Kleinbuchstaben verwenden, damit bei Buchstabenverdopplungen nicht sofort wieder derselbe Buchstabe zweimal hintereinander vorkommt (siehe "A" und "a" bei Abstand). Das Leerzeichen ist viel zu groß (also breit, nä?) und wird stark verkleinert.

Durch Klicken mit der Maus auf das R in dem Kästchen oder auf die punktierte Linie stellt man die Buchstabenbreite ein.


Wer jetzt nicht so eine grobe Vorlage verwendet hat wie ich in dieser Übung, möchte vielleicht selbst die Abstände der Buchstaben einstellen. Auch in diesem Fall kann man ruhig zuerst "Auto Space" verwenden, um dann von Hand zu verbessern. Leider macht Fontographer nicht automatisch eine Vorbreite, sondern nur Nachbreiten, aber für diesen Zweck hier in der Übung auf jeden Fall ausreichend.

Am Schluß wird wie immer eine Schrift erzeugt, "->File ->Generate Font Files" , siehe die vorhergehenden Übungen für Details.