Verarbeitung der Rezeptorinformationen, Farbwahrnehmung, Gegenfarben

Die Absorptionskurven der Zapfen zeigen wie die einzelnen Zapfentypen auf Licht bestimmter Wellenlänge reagieren. Aber sie beschreiben nicht, wie der Output der Zapfen weiterverarbeitet wird um beim Betrachter einen bestimmten Eindruck von Helligkeit und Farbe hervorzurufen.
Ein Zapfen wird in demselben Ausmaß stärker angeregt, wenn die Intensität (= Helligkeit) des einfallenden Lichts zunimmt (d.h. mehr Photonen treffen auf den Zapfen) oder wenn sich die Wellenlängen des einfallenden Lichts in Richtung des Maximums der Sensitivitätskurve verschieben (= Farbveränderung). D.h. ein einzelner Zapfen kann nicht zwischen Farb- oder Helligkeitsveränderungen unterscheiden. Somit kann ein Zapfen nicht signalisieren von welchen Wellenlängen er angeregt wurde.

Erst wenn der Output von mindestens zwei Zapfentypen kombiniert wird, kann man zwischen Farbe und Helligkeit unterscheiden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die Absorptionskurven der Zapfentypen überschneiden und der Output eines Zapfentyps nicht durch den anderen Typ beeinflusst wird, d.h. dass sie unabhängig reagieren. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann mann durch Addition und Subtraktion der Erregungswerte Helligkeit und Farbe unterscheiden.


Abb.: Addition und Subtraktion der M- und L-Absorptionskurven. An einem Punkt wird gezeigt wie die Ergebniskurven aus den Ausgangskurven ermittelt werden.

Wenn man das Maximum wieder mit 100% gleichsetzt ist die Kurve L-M die normalisierte Sensitivitätskurve des Zweizapfensystems, sozusagen ein "Superzapfen". Die Werte von L-M können sowohl positiv als auch negativ sein. Dadurch wird der Spektralbereich eindeutig in zwei unterscheidbare Farbbereiche aufgeteilt. Diese Gegenfarbbereiche (+/-) haben in diesem Fall ihre Maxima im Grün- bzw. Rotbereich. Beim Weißpunkt werden die beiden Zapfentypen mit der gleichen Intensität angeregt.
Wenn nur die Intensität des einfallenden Lichts zunimmt, bleibt der Wert von L-M gleich, da die Erregung bei beiden Zapfen um den gleichen Anteil zunimmt. Das System erkennt daher, dass nur die Helligkeit zugenommen hat. Ändert sich jedoch die Wellenlänge, so kommt es zu einer Veränderung des Wertes von L-M und das System erkennt eine Farbverschiebung. Somit sind Helligkeits- und Farbveränderungen unterscheidbar.

 

Zone theory, Gegenfarben

Man geht nun davon aus, dass im Netzwerk der Retina durch derartige "Berechnungen" die Rohdaten der L-, M- und S-Zapfen in zwei unabhängige Farbwerte und ein Helligkeitssignal transformiert werden, wobei die resultierenden Farbsignale in Zusammenhang mit den Gegenfarben, die in der Farbwahrnehmung eine wichtige Rollen spielen, stehen. Denn es ist z.B. möglich, zu Rot ein Gelb oder zu Blau ein Rot zu mischen und es entsteht dabei der Eindruck von einem gelblichen Rot oder einem rötlichen Blau. Wenn wir aber zu Rot ein Grün oder zu Blau ein Gelb mischen, haben wir nicht den Eindruck von einem grünlichen Rot oder gelblichen Blau. Rot - Grün und Blau - Gelb empfinden wir als Gegenfarbpaare. Auch beim Phänomen der Nachbilder, des Simultankontrasts oder bei bestimmten Formen der Farbenblindheit stoßen wir auf die Gegenfarben.
Wenn man die Gegenfarbpaare als Koordinatenachsen auffasst, dann liegt jede Farbe in einem der vier Quadranten und wird durch zwei Farbwerte (je einer pro Gegenfarbpaar) und deren Verhältnis zueinander charakterisiert. Dadurch wird, ergänzt durch das Helligkeitssignal, ein "Farbraum" aufgespannt, der die Unterscheidung der einzelnene Farbtöne ermöglicht.


Abb.: Gegenfarbpaare.

Man nimmt nun an, dass die Transformation der Rohdaten der L-, M- und S-Zapfen durch folgende Regeln geschieht :
(Wobei "Addition" und "Subtraktion" hier nur prinzipiell zu verstehen sind. Die eigentlichen Berechnungen sind durch Faktoren gewichtet.)

  • Die Addition der Outputs von L, M und S "L+M+S" wird als Helligkeit interpretiert. Die Kurve entspricht auch annähernd der Absorptionskurven der Stäbchen.
  • Die Differenz von M-Output und dem addierten L- und S-Output "L-M+S" liefert die Gegenfarbenbereiche Rot und Grün und ermöglicht die Rot- und Grün-Unterscheidung.
  • Die Differenz von S-Output und dem addierten L- und M-Output "L+M-S" liefert die Gegenfarbenbereiche Blau und Gelb und ermöglicht die Blau- und Gelb-Unterscheidung.

Wenn der L- und M-Output annähernd gleich und im Vergleich zum S-Output hoch sind, sehen wir Farben aus dem Gelbbereich.
Wenn L- und S-Output im Vergleich zum M-Output hoch ist, dann sehen wir die Farben, die nicht im Spektrum vorkommen: Blauviolett, Purpur, Rotviolett.
Wenn L-, M- und S-Output annähernd gleich sind, sehen wir Weiß, Grau oder Schwarz in Abhängigkeit von der Lichtintensität. Wobei Grau nur bei Körperfarben wahrgenommen wird. Wir sehen kein graues, sondern nur ein schwaches weißes Licht.

Empirische Farbvergleichsversuche haben gezeigt, dass sich ausgehend von den vier ausgewählten "elementaren" Farben (Blau, Grün, Gelb und Rot), die zu zwei Gegenfarbpaaren zusammengefasst werden, alle monochromen Farben aus zwei "elementaren" Farben mischen lassen. Aus diesen Versuchen wurden nachstehende Kurven abgeleitet, die das Mischungsverhältnis der zwei Farben angeben.


Abb.: Gegenfarbenkurven. Je nachdem, ob eine Kurve über oder unter der Nullachse liegt, wird die eine oder andere Farbe aus dem Gegenfarbenpaar für die Mischung verwendet.

Interessant ist, dass sich diese Kurven aus den Rohdaten der L-, M- und S-Zapfen durch die oben angeführten Transformationen ableiten lassen.
Die Kurve für das Gegenfarbenpaar Rot/Grün ergibt sich aus 2.4*L - 5.7*M + 3.8*S und die Kurve für das Gegenfarbenpaar Blau/Gelb aus 0.36*L + 0,72*M - 7.6*S


Abb. entnommen aus http://handprint.com/HP/WCL/color2.html

Es ist daher naheliegend, dass für die Farbwahrnehmung derartige Transformationen des Zapfenoutputs erfolgen und sich dort, wo die Kurven die Nullachse schneiden, Farben ergeben, die als Bezugspunkte für die Farbwahrnehmung dienen. D.h. diese speziellen Farben ergeben sich aus den Transformationen und sind nicht vorgegeben. Die Transformationen haben sich in einem evolutionären Prozess entwickelt, um das Auge möglichst optimal an die Umweltbedingungen anzupassen.
Zusammengefasst noch einmal der Weg vom Zapfenoutput über die Transformationen im Netzwerk der Retina bis zum Aufbau der Gegenfarbpaare und Helligkeitskomponente, sowie der Einordnung eines Farbtons in dieses System.


Abb.: Schematische, vereinfachte Darstellung der Zone

Das Farbmodell CIELab beruht ebenfalls auf zwei Gegenfarbpaaren (a+ und a- bzw. b+ und b-) und einer Helligkeitsdimension L.

Module, die für die Durchführung vorausgesetzt werden

Ergänzende und vertiefende Module