Einleitung

Die Kontrolle der Perspektive des Zuschauers durch den Regisseur ist einer der Hauptunterschiede zwischen Film und Bühne.

Es gibt zwei grundlegende Arten von Kamerabewegungen: Die Kamera kann sich entweder um eine ihrer drei Schwenkachsen drehen, oder sie bewegt sich von einem Ort zum anderen. Durch diese beiden Bewegungsarten entsteht jeweils ein grundsätzlich anderes Verhältnis zwischen Kamera und Objekt. Beim Schwenken oder Neigen verfolgt die Kamera das sich bewegende Objekt; beim Rollen ändert sich nicht das Objekt, sondern nur seine Lage innerhalb des Bildes.

Dagegen bewegt sich die Kamera bei Fahrten und Kranaufnahmen in der horizontalen oder vertikalen Ebene, das Objekt kann dabei statisch oder beweglich sein. Alle genannten Bewegungsarten und deren Kombinationen haben einen starken Einfluss auf das Verhältnis zwischen Objekt und Kamera, und damit auch auf das Publikum. Daher spielen die Kamerabewegungen eine große Rolle in Bezug auf den Inhalt des Films und Perspektive. Außerdem wird durch Anschneiden des Bildes Spannung erzeugt (=Kadrierung).

Geschichte der Perspektive in der Bildgestaltung

Schon in den Anfängen der Kunst versuchte man, die dreidimensionale Welt auf eine zweidimensionale Fläche zu bringen. Dies bedeutete die Auseinandersetzung mit perspektivischen Problemen bei bildlichen Darstellungen. Sogar die Maler und Zeichner der urzeitlichen Periode waren sich bei ihren kolorierten Darstellungen von Tieren (im Profil) dieser Schwierigkeit bewusst. Nur ab und zu kommt in den Bildern ein Körperteil eines Tieres in perspektivischer Verkürzung zum Ausdruck.

Da die Darstellungen der Babylonier und Ägypter von neben- und übereinander gereihten Dingen geprägt sind, kann man auch hier noch nicht von Perspektive sprechen. Man betrachte nur einmal die ägyptischen Wandreliefs, wo die menschliche Figur ohne Kürzung der Gliedmaßen frontal gezeigt werden, Kopf und Füße dagegen im Profil. Das Auge wiederum wird frontal gezeigt. Ähnlich arbeiteten auch die Perser.

Kommen wir nun zu den Griechen. Sie haben die Perspektive im 6. Jahrhundert v. Chr. sozusagen "entdeckt". Dies hatte massive Auswirkung auf das Kunstschaffen im vorderen Orient, Indien, Ostasien und im Westen. Die griechische Vorabeit beeinflusste auch die Neuentdeckung der Perspektive im 15. Jahrhundert. Dass die ausgerechnet Griechen sie in den Dienst der Lösung von Raum- und Gestaltungsproblemen stellten, war kein Zufall. Bernhard Schweitzer führt dies in seiner Schrift "Vom Sinn der Perspektive" (Tübingen 1953) auf eine spezielle Form der Wirklichkeitsauffassung zurück. 

In der ersten Phase der Entwicklung, die Schweitzer die Phase der "Körperperspektive" und "Teilperspektive" bezeichnet, wird jeder einzelne Körper in seiner eigenen Perspektive dargestellt, ohne Bezug zum Ganzen oder zum Raum. Es gibt also keinen Zusammenhang der Dinge im Gesichtsfeld des Bildes. Dies kann  man im Bild unten gut erkennen.

 

Krater des Niobidenmalers

 Krater des Niobidenmalers, um 45. v. Chr.

 

Die zweite Phase führt zur "Raumperspektive". Hier sind die Bildelemente dem perspektivischen Bildraum untergeordnet. Dennoch gelten hier nicht die strengen Regeln der Perspektivkonstruktion, wie wir sie kennen, da die Darstellungen im geometrischen Sinn immer noch falsch wirken und es auch sind. Daher sei laut Schweitzer die Raumperspektive eine Art Waage zwischen reiner Körper- und Konstruierender Perspektive. Was auf den Ursprung der Raumperspektive hinweist, ist das griechische Wort Skenographia, welches Perspektive heißt und eigentlich Bühnenmalerei bedeutet. Daraus lässt sich schon ablesen, das die Raumperspektive vom Bühnenbild ausgeht (wirklichkeitsnahe Darstellungen von Häusern, Fassaden, Säulen, Dächern, Türen etc. welche die griechischen Theaterkulissen kennzeichnen).

Gelehrte und Philosophen, wie z. B. Anaxagoras, Demokrit, Euklid oder Heron (Wegbereiter für Arbeit des Ptolemäus) machten die Perspektive zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und gründeten eine Theorie der Perspektive, die im 5. Jahrhundert feststand. Leider dauerte es noch hundert Jahre, bis sie Einzug in die freie Kunst hielt, da die Künstler der Ansicht waren, die Perspektive sei etwas Subalternes (bedeutet so viel wie untergeordnet, unselbstständig). Der anfängliche Widerstand konnte die Anwendung der Theorie der Perspektive nicht verhindern, auch wenn sie für die damaligen griechischen Künstler einen großen Umsturz in der Art des "malerischen" Denkens darstellte. Sie war auch für die abendländische Kunst der Neuzeit von größter Bedeutung.

Dennoch vollzog sich die Entwicklung der Perspektive nicht als geregelter Ablauf. In einem sehr langen Überganszeitraum zwischen Alterum und Frührenaissance wurde sie teilweise vergessen oder im Kunstschaffen irrelevant. Als der eigentliche Begründer der modernen Perspektive gilt Filippo Bruneschelli, Erbauer der Domkuppel in Florenz. Großen Verdienst leistete auch der Architekt und Gelehrte Leon Battista Alberti mit seinem Werk "de pictura", worin er die Entstehung des Perspektivbildes als Schnitt der Sehstrahlenpyramide mit der Bildebene beschreibt. Er entwarf ein Netz zur Bestimmung der Raumtiefe und Größenverhältnissen beim Abzeichnen sowie ein Verfahren zur Ermittlung des Distanzpunktes. 

In Italien also wurde die Perspektive wiederentdeckt, über Burgund wanderte sie in die Niederlande und beeinflusste von dort aus wieder die deutsche Malerei vor Albrecht Dürer. Auch die Namen der größten Künstler der Renaissance dürfen hier nicht vergessen werden, welche mit ihren Werken Wesentliches zur Entwicklung und Praktizierung der Perspektive beigetragen haben: Leonardo da Vinci ("Traktat der Marelei"), Raffael und Michelangelo (Kultivierung der "ars perspectiva").

Die erste deutsche Arbeit über die Perspektive ist Albrecht Dürers Abhandlung in seiner "Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt in Linien ebnen und gantzen corporen".  Darin versteht Dürer die Entstehung der Perspektive ähnlich wie Alberti (s.o.). Dürer konsturierte das Perspektivbild eines Objekts aus seinem Grund- und Aufriss. Dasselbe Prinzip wendet er auch bei Schatten an. Darüber hinaus erfand der die "Spinnenlinie" und befasste sich intensiv mit Problemen der Geometrie. Unten ist ein Bild aus seiner Abhandlung dargestellt, dass eine praktische Methode der perspektivischen Darstellung zeigt.

 

In der Spätrenaissance sind als besondere Werke die von Daniel Barbaro und Barozzi di Vignola zu nennen. Letzterer führte die vertikalen Distanzpunkte ein. Zum Schluss sei noch das Werk des Dekorationsmalers Andrea Pozzo aus Trient erwähnt, welches den Namen "Perspectiva pictorum et architectorum" trägt und 1693 erschien.

 

Wichtige Perspektivenarten der Bildgestaltung

 

Ob eine Kamera ein Geschehen neutral aufnimmt oder wertet, und vor allem auch wie sie wertet, wird in der Kameraperspektive festgelegt. 

 

 


Normalperspektive

Hier befindet sich die Kamera auf der "Augenhöhe" des gefilmten Objekts. Meistens wird versucht, so die natürliche perspektivische Wahrnehmung zum Beispiel eines Menschen nachzuahmen. 

Außerdem erhält man den Eindruck, der Darsteller sei seinem Gegenüber oder manchmal auch dem Zuschauer gleichgestellt, ihm weder unter- noch überlegen.

 Aufsicht / Vogelperspektive / High-Angle-Shot

Die Kamera blickt von einem erhöhten Standpunkt aus auf das Objekt herab. Diese Perspektive kann für verschiedene Situationen eingesetzt werden, z. B. um dem Zuschauer einen Überblick über die Umgebung des Akteurs zu geben, eine Szene mit vielen Personen zu etablieren oder, was vermutlich am häuftigsten praktiziert wird, die Unterlegenheit, Ohnmacht und Verzweiflung eines Darstellers zu verdeutlichen

 

 

Untersicht / Froschperspektive / Low-Angle-Shot

Hier befindet sich die Kamera in einer niedrigen Position, sehr nahe am Boden. Durch diesen Sehwinkel kann man dem Zuschauer Ehrfurcht oder Erregung gegenüber dem Objekt einflößen, da man damit ja seine Größe und Höhe verstärkt, es wirkt dominanter.

Darüber hinaus hat man so auch die Option, Schauspieler räumlich zu trennen, Kompositionslinien zu verzerren oder auch den Horizont bzw. unterwünschte Vordergründe verschwinden zu lassen.

 

Andere Perspektiven der Bildgestaltung

 Bedeutungsperspektive

Ägyptischer Maler um 1500 v. Chr.

 

In der Bedeutungsperspektive werden Figuren und Räumlichkeiten gemäß ihrer Wichtigkeit in verschiedenen Größen gezeigt, d.h. wichtige Personen größer und unwichtige kleiner. Dies gilt auch für gewisse Bilddetails. Meist wurden die Räumlichkeiten abstrakt dargestellt und die Figuren herausgehoben. Geläufig ist diese Perspektive in der Malerei des Mittelalters und des Altertums. Im alten Ägypten wurden Götter größer abgebildet als ihre Untergebenen. In der zeitgenössischen Kunst gibt es wieder vermehrt Beispiele für Bedeutungsperspektive.

 

 Luft- und Farbperspektive

 

Je weiter etwas weg ist, desto mehr verschwimmt es; dies wird Luftperspektive genannt. Die Farbperspektive hingegen nutzt das Verbläuungsprinzip. Dies bedeutet, je weiter weg ein Objekt ist, desto blasser und blauer wirkt es. Diese beiden Perspektiven werden oft gleichzeitig angetroffen,z.B. bei Landschaftsaufnahmen.

 

 Weitwinkelperspektive

 

Die menschliche Normalperspektive wird hier überdehnt. Mehr Raum wird aufgenommen, als normalerweise vom menschlichen Auge beim Blick in eine Richtung wahrgenommen werden kann. Das führt zu Verzerrungen des Raumes und der Figuren in der Bildwiedergabe.

 

 Verkantete Perspektive

Die Kamera ist nicht mehr wie üblich auf eine waagerechte und senkrechte Ebene eingestellt, sondern in ihrer eigenen Achse gedreht. Dadurch wird die abgebildete Wirklichkeit verzerrt. Sie scheint aus den Fugen geraten zu sein. Besonders oft fällt dieses Phänomen bei Amateuraufnahmen von Wasser auf. Sind die Linien der Wasseroberfläche nicht gerade, wirkt es als würde es aus den Bild herausfließen.

 

 Paralellperspektive

 

Im Gegensatz zur Zentralperspektive laufen Linien hier nicht aufeinander zu, sondern stehen sich in paralleler Position gegenüber. Die Linien werden nicht verkürzt.

 

Fluchtpunkte

Ein Fluchtpunkt ist ein bestimmter Punkt in Bildern oder der Realität, auf die alle Linien der Objekte im Raum zulaufen. Sie erzeugen Dynamik und Bewegung im Bild bzw. Raum. In Zeichnungen werden Fluchtpunkte genutzt, um einen Gegenstand geometrisch korrekt darstellen zu können.

Fluchtpunkte liegen auf Augenhöhe, also der Horizontlinie. Diese ist keine stabile Linie, sondern liegt je nach Größe und Blickfeld des Betrachters anders. Die Bildwirkung hängt von der Anzahl und der Position der Fluchtpunkte ab. Schon in der Antike wurden Fluchtpunkte zur Tiefenverkürzung von Linien verwendet.

 

Foto mit 1-Fluchtpunktperspektive
 
Je nach Anzahl der Fluchtpunkte im Bild kam es zu verschiedenen Namensgebungen. Ein Bild mit nur einen Fluchtpunkt wird als Frontalperspektive oder 1-Fluchtpunktperspektive bezeichnet. Alle Linien laufen auf einen Fluchtpunkt zu, dadurch wirkt das Motiv zwar perspektivisch im Raum verzerrt, doch ist die Wirkung von Dynamik noch sehr gering.
 
Die 2 Fluchtpunktperspektive wird auch als Schrägperspektive benannt. Durch sie sieht man Objekte nicht vollständig von vorne, sondern von zwei Seiten.
 
3 Fluchtpunkte verzerren den Raum ins extremste, diese Art ist unter den Namen Luftperspektive bekannt. Um sie geschickt darzustellen und einsetzen zu können ist ein gutes Gespür für Maße und Propertionen notwendig. Die Luftperspektive kann dazu eingesetzt werden etwas bedrohlichwirken zu lassen.