Die Geschichte der Fernseh- und Videotechnik

Während also beim Film aufgrund der weit fortgeschrittenen technischen Entwicklung am Beginn des 20.Jahrhunderts die Frage nach Art und Gestaltung des Inhalts immer wichtiger wurde, steckte die Entwicklung der Fernsehtechnik noch in den Kinderschuhen. Neben den konzeptionellen Grundlagen der Bewegungsabbildung als gemeinsame Vorläufer von Film und Fernsehen, gab es ebenfalls bereits im 19.Jahrhundert wichtige technische Ansätze für die Bildübertragung und -speicherung.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit der Industrialisierung und Elektrifizierung die Informationsübermittlung per Telefon und Telegrafen möglich.
Auf dieser Basis beschäftigten sich viele Wissenschaftler und Forscher mit der Möglichkeit der Bildübertragung und –speicherung.
Bereits 1873 wurde die Lichtempfindlichkeit des Selens entdeckt (C. May, Willoughby Smith), wodurch es möglich wurde elektrische Ströme in Abhängigkeit von der auftreffenden Lichtintensität zu steuern. Damit wurde die Grundlage für die Umwandlung von Licht- und Bildinformationen in elektrische Signale geschaffen.
Als Basis für spätere Bildübertragungstechniken gilt Paul Gottlieb Nipkow´s (1860-1940) Erfindung eines elektromechanischen Bildfeldzerlegers der 1884 patentiert und als Nipkow-Scheibe bekannt wurde. Dabei wird das Bild zeilenweise abgetastet. Dafür wird eine drehbare Scheibe verwendet, die mit einer spiralförmiger Anordnung von Löchern versehen ist, deren Anzahl der Zeilenanzahl des zerlegten Bildes entspricht. Mit einer Photozelle, die hinter der Scheibe montiert wurde, konnten die Helligkeitsinformationen der jeweils abgetasteten Zeile in elektrische Signale umgesetzt werden. Diese Signale wurden mittels Verstärker bis zum Empfänger weitergeleitet, der anstatt einer Photozelle über eine reaktionsschnelle Lichtquelle verfügte. Durch eine weitere Nipkow-
Scheibe konnte so das zuvor abgetastete Bild wiedergegeben werden, was allerdings nur dann funktionierte, wenn beide sich mit derselben Geschwindigkeit drehten.

Funktionsprinzip der Nipkow-Scheibe

1897 erfand der Deutsche Karl Ferdinand Braun die Kathodenstrahlröhre, die als Grundlage für die elektronische Kamera- und Bildschirmtechnik diente.

Als Vorläufer für die Videotechnik spielten fortan zwei Entwicklungsstränge eine große Rolle. Zum einen wurde an der Speicherung von Bildinformationen gearbeitet und zum anderen an der Übermittlung dieser Informationen über größere Distanzen, als Grundlage für die Fernsehtechnik.

Noch vor den ersten Filmvorführungen Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts, gab es bereits verschiedene Konzepte einer elektronischen Speicherung von Bild- und Toninformationen.
Am 8.9.1888 erschien in der amerikanischen Zeitschrift "The Electrical World" ein Beitrag von Oberlin Smith (1840-1926) über "Eine mögliche Form des Phonographen" .
(siehe auch: Gööck, Roland, Die großen Erfindungen: Bild-Optik-Schall: S. 14, H.Stürtz, Würzburg 1985)
Smith plante, Stahldrähte und -bänder als Tonträger zu verwenden. Als weitere Speichermöglichkeit nannte er eine Schnur aus Seide oder Baumwolle mit eingesponnenem Stahlpulver. "Die Drahtspule wurde beim Aufsprechvorgang von den Mikrofonströmen durchflossen. Dadurch wurden die Stahlpartikel der Schnur im Takt der Schallschwingungen magnetisiert".
Nachgewiesen und realisiert wurde diese Idee vom Dänen Valdemar Poulsen (1869-1942).
Heute gilt sein 1898 patentiertes "Telegraphon" als "die apparative Keimzelle heutiger Magnetbandtechnik".
(siehe auch: Zielinski, Siegfried, Zur Geschichte des Videorecorders: S 57, Wissenschaftsverlag Spiess. Berlin 1986)

Damit waren die Grundlagen für eine Magnetaufzeichnung (siehe MAZ) gegeben. Erste Verfahren zur Bildspeicherung, die hierauf aufbauten, wurden Ende der 1920er Jahre vorgestellt.

Am 4. 1. 1927 reichte der englische Ingenieur Boris Rtcheouloff das international erste Patent für eine magnetische Bildspeicherung ein, das sich an dem Prinzip von Poulsen orientierte.
Allerdings wurde diese Idee nie in einem Prototyp verwirklicht. Einen Stahldraht wie beim Poulsenschen "Telegraphon" verwendete dann 1929 ebenfalls der Fernsehpionier Demes von Mihály als Speichermedium für seine Experimente. Daneben sind Versuche zu nennen, Informationen auf magnetisierten Platten oder Papierstreifen zu speichern.

Im April 1956 wurde im Rahmen der Convention der "National Association of Radio and Television Broadcasters" (NATRB, die heutige NAB) der erste Videorecorder für Fernsehstudios vorgestellt. Die Firma AMPEX hatte 1948 mit finanzieller Unterstützung des Entertainers Bing Crosby, der daran interessiert war seine Hörfunksendungen auch in seiner Abwesenheit auszustrahlen, ein Tonbandgerät auf den technischen Grundlagen des 1945 von den Alliierten beschlagnahmten "Magnetophons“ von AEG/Telefunken (1935) entwickelt.
Die Weiterentwicklung zur Bildaufzeichnung und die Serienreife des ersten Videorecorders Ampex VRX-1000, später als "Mark IV“ bezeichnet, dauerte bis 1956.
Wesentlicher Antriebsfaktor bei der Entwicklung der Magnetbandaufzeichnung von Bild und Ton war der Wunsch nach zeitversetztem Aufnehmen und Wiedergeben.
Die Entkoppelung der Faktoren Zeit- und Ortsgeschehen in der Berichterstattung oder in der Unterhaltung die von Anfang an eine große Rolle spielte - das zeitversetzte Unterhalten und Unterhalten-Werden - war eine der grundlegenden Neuerungen in der Entwicklung der bewegten Bilder.

Parallel und untrennbar verknüpft mit den beschriebenen Speicher- und Wiedergabetechnologien wurde auch die Forschung an den Technologien zur Bild- und Tonübertragung ab den 1920er Jahren intensiv weiterbetrieben.
Das System der Nipkow-Scheibe wurde weiterentwickelt und vor allem die Bildauflösung ständig verbessert. 1923 erfand der Russe Vladimir Kosma Zworykin in Amerika einen elektronischen Bildabtaster, das Ikonoskop, das später (1936) in den ersten elektronischen Kameras eingesetzt wurde und damit die mechanische Abtastung nach dem Nipkow´schen Prinzip ablöste.
1929 entwickelte er auf Basis der Braunschen Röhre einen elektronischen Fernsehempfänger, das Kinescope.
1925 fanden in mehreren Ländern (D, UK, USA) die ersten Fernsehversuche statt. Die BBC in Großbritannien startete 1932 mit einem regelmäßig ausgestrahlten Programm.
1935 folgte in Deutschland der erste regelmäßige Fernsehbetrieb, allerdings gab es damals vermutlich nur etwa 50 Empfangsgeräte. Die Bildqualität war mit einer horizontalen Auflösung von 180 Zeilen noch sehr bescheiden, reichte aber offensichtlich besonders für Propaganda-Zwecke im 3.Reich aus. Gesehen wurden die Sendungen vom einfachen Volk meist in speziell für diesen Zweck eingerichteten öffentlichen "Fernsehstuben“ – kinoähnlichen Vorführräumen mit ein bis zwei Empfangsgeräten und einer Bildschirmgröße von etwa 18x22 cm – bei freiem Eintritt.
Die Beiträge wurden vorerst noch konventionell auf Film aufgenommen und über einen Filmabtaster mit Hilfe der Nipkow-Scheibe in Signale umgesetzt. Bei "Liveübertragungen“ führte dies zu einem Zeitversatz von ca. 1,5 Minuten, da die Aufnahmen beim sog. Zwischenfilmverfahren im Sendewagen schnell entwickelt und dann abgetastet werden mussten. Der Film blieb bis zur Erfindung des Videorecorders das wichtigste Speichermedium für Bildinformationen.
Im Studio konnte man Personen in sogenannten Dunkelzellen auch direkt mit der Nipkow-Scheiben-Technik aufnehmen und so etwa das Bild einer Fernsehansagerin übertragen.
1936 wurde bei den Olympischen Spielen in Berlin eine elektronische Kamera, die auf Basis des Ikonoskops von Zworykin entwickelt wurde, für Live-Übertragungen verwendet.
Mit dem Einsatz von elektronischen Aufnahme- und Wiedergabesystemen wurde nach und nach die mechanische Abtastung abgelöst.

Die weiteren wesentlichen Entwicklungen auf diesem Sektor folgten aufgrund des zweiten Weltkrieges in Amerika, wo bereits seit 1941 die auch heute noch aktuelle 525-Zeilen Norm verwendet wird. Als erstes Farbfernseh-System wurde ebenfalls in den USA 1953 die NTSC-Norm eingeführt. SECAM und PAL folgten erst 1963 bis 1969 in Europa (siehe TV-Normen).

Eine größere Verbreitung fand das Fernsehen in Deutschland erst in der Nachkriegszeit. Ende 1952 startete der Nordwestdeutsche Rundfunk sein Programm. Die Fernsehgeräte hatten eine Bildschirmgröße von 22x22cm.
In Österreich begann das Fernseh-Zeitalter 1955. Am ersten August startete der ORF sein Versuchsprogramm über vier Sender in Wien, Graz, Linz und Salzburg. 1957 wurde dann nach erfolgreicher Testphase ein regelmäßiger Sendebetrieb an sechs Tagen pro Woche aufgenommen. Mitte 1961 zählte man bereits 250.000 Fernsehteilnehmer und 25 Sendeanlagen. 1969 begann auch in Österreich das Farbfernsehen mit der Übertragung des Neujahrskonzerts.

Im Bereich der Video-Aufzeichnung folgte als weiterer wichtiger Schritt die Erfindung des Home-Videos.
Die genaue Zuordnung welcher Elektronik-Konzern den wirklich ersten Home Video Recorder auf den Markt brachte gestaltet sich schwierig da sowohl Sony, Philips und Loewe für sich in Anspruch nehmen die ersten gewesen zu sein. Faktum ist dass Loewe schon 1961 und Sony 1964 (CV-2000 ) die ersten Geräte auf dem Markt hatten, aber erst durch die Entwicklung von Kassetten-Systemen anstatt der herkömmlichen Magnetbandspule wurden die Geräte reif für den Consumermarkt .
(Consumer: engl. für Endverbraucher. Diese Bez. wird meist für Amateur-Geräte verwendet.)
U-Matic von Sony war das erste weitverbreitete Kassettensystem und wurde von vielen Firmen seit 1971 eingesetzt.
Sony´s Betamax-System kam 1975 (USA und Japan, 1978 Europa) auf den Markt.
1976 kam JVC mit VHS (Video Home System) nach Amerika und 1978 nach Europa.
Grundig und Philips entwickelten 1980 das Video2000 System, das sich aber nur wenige Jahre auf dem Markt halten konnte.
Die Schlacht um die Marktführung gewann das VHS-System, das sich bis Ende der 90er Jahre als weltweiter Heimvideo-Recorder-Standard bewährt.
Für professionelle Anwendungen wurde 1983 das Betacam-System von Sony vorgestellt (erstes professionelles Komponenten-Videokassetten-Format). Panasonic folgte mit dem technisch sehr ähnlichen System MII, das lange Zeit vom ORF als Aufzeichnungs-Standard verwendet wurde.
In den 90er Jahren folgten professionelle Digital-Formate, wie etwa Digital Betacam, DVCPro, Betacam SX und IMX.

1995 führte Sony das DV-System ein, ein digitaler Videostandard der für den Consumer-Markt konzipiert war und aufgrund der geringen Ausmaße der Kameras bei gleichzeitig relativ hoher Bildqualität auch für Dokumentationen und Reportagen beim Fernsehen benutzt wird.
DV brachte auch einen Standard für eine neue Schnittstelle zur verlustfreien digitalen Übertragung der Videodaten auf den Computer: Firewire oder IEEE 1394.
Damit war es Ende der 90er möglich mit jedem gewöhnlichen Home-Computer Videodaten digital nachzubearbeiten und das weitgehend ohne die bis dahin üblichen Kopierverluste oder stark sichtbaren Kompressionsartefakten.
(Kompressionsartefakte: Bildfehler die durch hohe Kompressionsverhältnisse erzeugt werden).
Im semiprofessionellen Bereich entwickelte man aus dem DV-Standard das DVCAM-Format mit besseren Kameras und höherer Datensicherheit. Panasonic brachte DVC-Pro auf den Markt.
Gemeinsam haben diese neuen Systeme die sehr kompakte Bauweise.
Die Entwicklungen beim digitalen Video gehen auch neue Wege, was die Bildauflösung (HD , 24p ), die Frameraten (Progressiv-Scan mit 25 Vollbildern pro Sekunde zur besseren Weiterverarbeitung in der Postproduktion, bzw. 24 Bilder zur Annäherung an den Film und variable Frameraten, etwa für Zeitlupen - Panasonic Varicam), Aufnahmeformate (Direktspeicherung als Einzelbildsequenzen) und somit die Flexibilität von Kameras und Postproduktionssystemen anbelangt.
Die jüngsten Entwicklungsschritte in der Videotechnik beziehen sich in erster Linie auf die Speichermedien, als Alternative zur Magnetband-Aufzeichnung, und auf die weitere Verbesserung der Bildsensoren. Das P2-System von Panasonic beispielsweise zeichnet auf SD-Speicherkarten auf, die zu jeweils 4 Stk. in einen speziellen PCMCIA-Adapter gesteckt werden. Durch solche und ähnliche Konzepte, wie z.B. auch die direkte Aufzeichnung auf mobile Festplatten (Ikegami) oder auf optische Medien wie Sony´s Professional Disc System XDCAM werden die Arbeitschritte zwischen Aufnahme und Bearbeitung minimiert, da die Daten ohne Überspielungsprozesse direkt verfügbar sind.
HD steht für High Definfition, auch HDTV engl. Abk. High Definition Television. Fernsehnormen mit erhöhter Bildauflösung (1920x1080 oder 1280x720) und einem Bildseitenverhältnis von 16:9 . (erster HDTV Sender in Europa: EURO 1080 sendet seit Anfang 2004).
24p bezeichnet einen Videostandard für digitale Kameras mit einer hohen Auflösung von 1920x1080 (1080p) Bildpunkten, wobei mit 24 Vollbildern pro Sekunde anstatt mit 50 Halbbildern/s aufgezeichnet wird (Vergleich dazu: D1Pal 720x576 Bildpunkte) oder 60 Halbbildern/s).

Digitales Video entwickelte sich seit den 1990er Jahren zu einem sehr weitverbreiteten Medium, das neben den konventionellen Anwendungen nun auch im Internet und im Telekom-Bereich eingesetzt wird (Stichwort: Medienkonvergenz)