Einführung

Vergleicht man die Filmtechnik mit der Videotechnik, so findet man nur wenige Gemeinsamkeiten. Die gemeinsame Entwicklungsgeschichte, das zugrunde liegende Ziel beider Medien, also die Aufnahme und Wiedergabe von bewegten Bildern, und die Tatsache, dass der Konsument beide Medien quasi auf der selben Oberfläche serviert bekommt, führen zu einer gewissen Konkurrenzsituation, die einen Vergleich sinnvoll und möglich macht. Richtig sinnvoll kann ein solcher Vergleich aufgrund der eindeutigen Qualitätsvorteile des Films nur sein, wenn man dafür die zur Zeit höchsten Standards aus der Videotechnik heranzieht, also HDCAM und CineAlta Systeme.
Das Wissen um die spezifischen Eigenschaften und Vorteile des Filmes ermöglicht einen gezielteren Umgang mit der Videotechnik, wodurch sich die Ergebnisse wesentlich verbessern lassen.

Wichtigste Merkmale des Films sind: dem gegenüber steht bei Video:
hohe Auflösung und Detailschärfe eingeschränkte Auflösung und mäßige Detailschärfe
hoher Farb- und Kontrastumfang (abhängig vom Filmmaterial
und dem chemischen Entwicklungsprozess,
nahezu unendlich viele Variationen möglich)
begrenzter Farb- und Kontrastumfang ( 8 Bit = 256 Abstufungen, 10 Bit = 1024 Abstufungen, 12 Bit = 4096 Abstufungen)
präzise justierbare Tiefenschärfe sehr beschränkte Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Tiefenschärfe
24 Vollbilder pro Sekunde 50 bzw. ~60 fps, 24p, 25p, etc.
sehr hohe Kosten für Geräte und Filmmaterial im High-End Bereich sehr teure Geräte aber niedrige Kosten für Videobänder
hohe Bearbeitungskosten im Schnitt vergleichsweise niedrige Kosten im Schnitt
hohe Bearbeitungskosten in der Postproduktion bei vergleichbar hohem Qualitätsanspruch, sehr hohe Bearbeitungskosten in der Postproduktion
Kopien sehr teuer Kopien kostengünstig und einfach zu erstellen


Auflösung und Detailschärfe

Hinsichtlich der Bildqualität und im Bezug auf Auflösung und Detailschärfe wurden in den letzten Jahren, nicht nur im High-End Bereich, durch die effiziente Entwicklung in der Videotechnik große Fortschritte gemacht. So wurden auch Kameras entwickelt, die gezielt als Konkurrenzprodukte zu den die Kinoproduktion dominierenden Filmkameras konzipiert sind.
Diese Kameras, wie z.B. das CineAlta System von Sony (HDW-F900), arbeiten mit hochauflösenden Bildsensoren, die auch dem HDTV-Standard ITU-R.BT 709-3 entsprechen, und werden sowohl für Kinofilmproduktionen als auch für Fernsehproduktionen mit hohem Qualitätsanspruch eingesetzt.
Die zur Zeit höchstmögliche Auflösung dieser digitalen Kamerasysteme liegt bei 1.920 x 1.080 Pixel, was einer Pixelanzahl von etwa 2 Mio entspricht.
Filmmaterial hingegen "speichert" die Bildinformation nicht in regelmäßig angeordneten Pixel, sondern aufgrund des photochemischen Prozesses in der lichtempfindlichen Schicht des Filmstreifens. Je feinkörniger das Filmmaterial ist, desto höher ist die Anzahl der messbaren "Bildpunkte", die hier unregelmäßig angeordnet sind. Es gibt Messungen, die zeigen, dass die Bildpunkte eines Filmkaders von extrem hochwertigem Filmmaterial einer Auflösung von maximal ca. 6 Mio Pixel entsprechen würden. Hierbei gilt, wie in der analogen Fotografie, dass weniger lichtempfindliches Filmmaterial (niedriger ASA-Wert) eine höhere Detailschärfe ermöglicht, da die Filmkörnung feiner ist als bei höherempfindlichem Material.
Eine Vielzahl von Faktoren beeinflussen die technische Bildqualität des Filmes negativ. Als wichtigster Faktor sei hier die notwendige mechanische Verarbeitung des Filmstreifens beim Filmtransport in der Kamera und im Projektor genannt und die dadurch entstehenden, wenn auch minimalen Wellenbewegungen (film weave phenomenon), die eine deutliche Reduktion der technisch möglichen Detailschärfe bewirken. Würde man ein einzelnes Standbild eines Filmkaders mit einem Einzelframe eines HDCAM-Videos vergleichen, so wäre natürlich der Film der klare Favorit. Durch die Exaktheit der digitalen Technik können aktuelle High-End-Systeme zwar den immer noch großen Vorsprung der Filmtechnik nicht aufholen, aber es gibt eine ernstzunehmende Annäherung.
Will man den Bildeindruck, also die subjektiv wahrgenommene Bildqualität der beiden Medien miteinander vergleichen, so ist es wichtig, dass der Vergleich mit den adäquaten Projektionstechniken - also einem hochauflösendem digitalen Videobeamer für Video und dem entsprechenden Filmprojektor für den Film - durchgeführt wird. Solche Tests haben gezeigt, dass im Hinblick auf Detailschärfe nur geringe Unterschiede zugunsten des Filmes sichtbar sind.

Sehr wichtig: Derartige Vergleiche beziehen sich ausschließlich auf sehr teure HD-Video Systeme. Alle anderen Videosysteme stehen in der Qualität weit hinter dem Film.

Farb- und Kontrastumfang

Hier stehen die nahezu endlos vielen Farb-und Helligkeitsabstufungen des Filmmaterials dem auf 8-, 10- bzw. 12-Bit beschränkten Videosystem gegenüber. Dadurch ergibt sich in diesem Punkt ein klarer Vorteil für den klassischen Film. Hier ist allerdings bei der Auswahl des Rohmaterials viel Erfahrung und Knowhow notwendig. Um einen bestimmten Farb- und Kontraststil zu erzielen, werden oft in der Vorbereitungsphase für einen Dreh unterschiedliche Materialien direkt am Set getestet.

Tiefenschärfe

Die Tiefenschärfe (DOF Depth of field) ist eines der wichtigsten Gestaltungsmittel beim Film. Durch die im Vergleich zum Film wesentlich kleinere Bildebene des Aufnahmesensors einer Videokamera ist die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Tiefenschärfe bei Video sehr stark eingeschränkt. Dieser Umstand bedeutet im Vergleich einen sehr großen Vorteil für den klassischen Film.
Mehr zu diesem Thema: Grundlagen DOF

Bildfrequenz

Film hat eine Bildfrequenz von 24 Bildern pro Sekunde. Video hat je nach Norm eine Frequenz von 50 Halbbildern bei PAL bzw. 59,97 Halbbilder bei NTSC. Durch den zunehmenden Einsatz von Displaytechniken, die nicht mit dem Zeilensprungverfahren arbeiten, bieten immer mehr Kamera- und Gerätehersteller auch Equipment an, das im so genannten progressive Scan Modus arbeitet. Hier werden die einzelnen Bilder nicht mehr in Halbbildern aufgenommen und wiedergegeben, sondern in Vollbildern. Diese Standards werden mit einem kleinen p (für progressive) bezeichnet (z.B. 625/25p). Der Unterschied zwischen 25p (für PAL) und der Bildfolge von Film ist kaum feststellbar. Bei NTSC zeigt der Vergleich zwischen 30p und den 24 Bildern pro Sekunde des Films schon größere Unterschiede. Um diese Unterschiede auszugleichen und so dem vielzitierten "Filmlook" etwas näher zu kommen, bieten Kamerasysteme wie HDCAM oder Cine Alta auch einen 24p Modus für die Aufnahme von nur 24 Vollbildern pro Sekunde.
Wie sinnvoll es ist, die Bildfrequenz zu verringern, um dem Film ähnlicher zu werden, bleibt allerdings fraglich...

Kostenfaktor

Bezüglich der Produktions- und Bearbeitungskosten gibt es Statistiken und Berechnungen, die hier der Videotechnik einen klaren Vorteil bescheinigen. Der tatsächliche Kostenunterschied fällt aber wesentlich geringer aus, wenn man berücksichtigt, dass Videoproduktionen mit einem Qualitätsanspruch, der nahe am Film liegt, eventuell sogar einen Mehraufwand z.B. an Beleuchtungstechnik erfordern, um die Nachteile der Videotechnik auszugleichen. Einen klaren Kostenvorteil hat ein digitales Video natürlich in der Weiterverarbeitung, da die hohen Kosten für das Entwickeln und die Digitalisierung entfallen. Film muss ja, um digital nachbearbeitet werden zu können, und dies ist in den meisten Produktionen der Fall, erst eingescanned werden, was mit einem sehr hohen technischen Aufwand verbunden ist.
Fazit: Videobänder sind wesentlich billiger als Filmmaterial und dessen Entwicklung. Neue Filmkameras sind teurer als Highend-Videokameras, aber gebrauchte Filmkameras, die mitunter eine bessere Qualität als die aufwendigsten Highend-Videokameras ermöglichen, kosten nur einen Bruchteil. In der Postproduktion sind die Kosten für das Digitalisieren von Filmmaterial enorm. Große Digital-Video-Kinoproduktionen haben aber gezeigt, dass der notwendige Mehraufwand in der Postproduktion, um einen zufriedenstellenden Filmlook zu erzeugen, weit über den Nachbearbeitungskosten von Film liegen können.

Ergänzende und vertiefende Module