Underwater Love I

 

Abhörkanal

Sueddeutsche
http://www.sueddeutsche.de/politik/internet-ueberwachung-britischer-geheimdienst-zapft-daten-aus-deutschland-ab-1.1757068

ARD
http://www.tagesschau.de/inland/gchqtelekom100.html


 

 

 

Der britische Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) ist deutlich tiefer in den weltweiten Abhörskandal verwickelt als bislang angenommen. Das geht aus Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden hervor, die der Norddeutsche Rundfunk und die Süddeutsche Zeitung einsehen konnten.

Ähnliches Material hat die Zeitung Guardian auf Druck der britischen Regierung jüngst vernichtet. Nahezu der gesamte europäische Internetverkehr kann demnach von Großbritanniens größtem Geheimdienst gespeichert und analysiert werden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei mehrere Glasfaserkabel, zu deren Betreibern auch die Deutsche Telekom gehört.

Die Unterlagen stammen aus einem internen Informationssystem des GCHQ, einer Art Geheim-Wikipedia namens "GC-Wiki". Daraus geht hervor, dass der Dienst neben dem Überseekabel TAT-14 auch 13 weitere Glasfaserleitungen ausspäht - sowohl solche, die Europa mit Afrika und Asien verbinden, als auch innereuropäische. Damit hat der Dienst theoretisch auf Verbindungen innerhalb Europas und sogar innerhalb Deutschlands Zugriff. Die Kabel sind das Rückgrat der digitalen Kommunikation. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter und Whistleblower Thomas Drake erklärte der SZ, dass ausländische Dienste überhaupt keinen Zugang zu Leitungen in Deutschland bräuchten; denn selbst innerhalb eines Landes verschickte E-Mails liefen in der Regel über internationale Kabel.

Die mutmaßlich abgezapften Überseekabel TAT-14 sowie SeaMeWe-3 und Atlantic Crossing 1 treffen an der Nordseeküste auf deutschen Boden - in der ostfriesischen Stadt Norden beziehungsweise auf Sylt. Die Deutsche Telekom sitzt in den Betreiberkonsortien zweier dieser Kabel. Das Unternehmen teilte mit, zu möglichen Programmen britischer Geheimdienste habe man "keine Erkenntnisse". Ein Sprecher sagte: "Wir haben bereits geprüft, ob es eine rechtliche Grundlage gibt, auf der wir von anderen Anbietern Aufklärung über ihre Zusammenarbeit mit britischen Sicherheitsbehörden verlangen können." Aufgrund britischer Gesetze bestehe allerdings eine Verschwiegenheitsverpflichtung dieser Unternehmen.

Firmen kooperieren wahrscheinlich unfreiwillig mit GCHQ

Nach den Informationen von NDR und SZ kooperieren mindestens sechs Firmen - wahrscheinlich unfreiwillig - mit dem GCHQ: British Telecommunications (BT), Level-3, Viatel, Interoute, Verizon und Vodafone. Alle Firmen sind auch in Deutschland tätig, über ihre Netze läuft ein großer Teil der deutschen Internetkommunikation. BT zählt zu seinen Kunden etwa BMW, die Commerzbank sowie den Freistaat Sachsen und das Land Rheinland-Pfalz.

Einige der Anbieter sollen für das GCHQ nicht nur Software fürs Ausspähen programmiert haben. BT hat laut den Snowden-Dokumenten auch eine eigene Hardware-Lösung entwickelt, um die Daten überhaupt abschöpfen zu können. Darauf angesprochen, teilte eine BT-Sprecherin der SZ mit: "Fragen zur nationalen Sicherheit sollten den jeweiligen Regierungen gestellt werden, nicht den Telekommunikationsunternehmen."

 

 

 

 

 

ARD

Neue Dokumente belasten GCHQ

Unterlagen des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Snowden haben nach Informationen des NDR gezeigt, dass der britische Geheimdienst GCHQ wesentliche Teile des Internet-Verkehrs in Europa speichern und analysieren kann. Auch die Telekom soll betroffen sein.

Von John Goetz, Anne Ruprecht und Jan Lukas Strozyk

Der britische Geheimdienst rückt in das Zentrum des Abhör-Skandals: Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden, zu denen der NDR und die "Süddeutsche Zeitung" Zugang hatten, zeigen, dass das Government Communication Headquarter (GCHQ) nicht nur Verbindungen nach Nordamerika, sondern wesentliche Teile des europäische Internet-Verkehrs speichern und analysieren kann. Das betrifft insbesondere die Daten deutscher Internet-Nutzer, wie die neuen Enthüllungen beweisen.

Insgesamt führen die Snowden-Dokumente 14 Unterseekabel auf, die das GCHQ abhören kann. Für den deutschen Internet-Verkehr sind dabei vier Kabel von besonderer Bedeutung: Die Leitungen TAT-14 und AC-1 zur Kommunikation mit Nordamerika, das Kabel SeaMeWe-3 als Verbindung nach Afrika, Asien und Australien sowie das Kabel Pan-European-Crossing PEC, das viele Metropolregionen Westeuropas miteinander verbindet. Diese Kabel sind über Knotenpunkte im ostfriesischen Norden und auf der Insel Sylt direkt an das deutsche Netz angeschlossen, landen aber auch in Großbritannien an, wo der Zugriff stattfindet.

 

nsbesondere das Absaugen am PEC-Kabel erlaubt dem GCHQ in vielen Fällen auch E-Mail-Kommunikation innerhalb Europas und sogar innerhalb Deutschlands mitzulesen. "Viele Onlinedienste haben ihre Server für den europäischen Markt in England oder Irland stehen. Und auch da geht der deutsche Verkehr dann über Großbritannien", so Computer-Experte Jörg Schieb im Interview mit dem NDR-Fernsehen.

Telekom hat "keine Erkenntnisse"

Die Deutsche Telekom ist über Konsortien Miteigentümer der Kabel SeaMeWe-3 und dTAT-14. Das Unternehmen teilte auf Nachfrage mit, es gewähre "ausländischen Diensten keinen Zugriff auf Daten sowie Telekommunikations- und Internetverkehre in Deutschland". Zu möglichen Programmen britischer Geheimdienste habe man "keine Erkenntnisse", halte sich aber an jeweils geltende Landesgesetze. Die Telekom wies in der Stellungnahme darauf hin, dass die Betreibergemeinschaften der großen Unterseekabel auf Partner vor Ort angewiesen seien, die sich um Wartung und Betrieb von Teilabschnitten der Kabel kümmern.

Im konkreten Fall habe das Unternehmen "bereits geprüft, ob es eine rechtliche Grundlage gibt, auf der wir von anderen Anbietern Aufklärung über ihre Zusammenarbeit mit britischen Sicherheitsbehörden verlangen können". Aufgrund britischer Gesetze bestehe allerdings eine Verschwiegenheitsverpflichtung seitens der Unternehmen.

Unfreiwillige Handlanger der Geheimdienste?

Der NDR und die "Süddeutsche Zeitung" hatten bereits vor einigen Wochen aufgedeckt, dass mindestens sechs Firmen mit dem GCHQ kooperieren: British Telecommunications (BT), Level-3, Viatel, Interoute, Verizon und Vodafone. Alle Firmen verfügen über Dependancen in Deutschland und sind hier für einen großen Teil der Internet-Infrastruktur verantwortlich. BT zählt zu seinen Kunden BMW, die Commerzbank sowie den Freistaat Sachsen und das Land Rheinland-Pfalz.

Dass die Firmen - womöglich unfreiwillig - zu Handlangern der Geheimdienste werden, liegt auch in der Infrastruktur des weltweiten Netzes begründet: Die kritischen Knotenpunkte, vor allem dort, wo die großen Untersee-Kabel an Land führen, müssen aufwändig gewartet werden. Diese Aufgabe übernimmt ein Dienstleister vor Ort, der dafür einen Vertrag mit dem Netzbetreiber schließt - beispielsweise mit der Deutschen Telekom.

Gerade weil diese Anlandestationen aber so wichtig sind für den weltweiten Datenstrom, sind sie auch ein idealer Angriffspunkt für einen Geheimdienst. Die wiederum verpflichten die kooperierenden Unternehmen per Gesetz zum Stillschweigen über ihre Schnüffel-Aktionen, selbst gegenüber den Vertragspartnern und Miteigentümern der Kabel - im Fall des GCHQ auf Grundlage des britischen Anti-Terror-Gesetzes "UK Official Secrets Act". Der Telekom-Vorstand für Datenschutz, Thomas Kremer, sagte dazu im Interview mit dem NDR-Fernsehen: "Wenn es um das Thema Spionage geht, sind vor allem Staaten gefordert. Wir brauchen Gespräche, Vereinbarungen zwischen Staaten, um dieses Problem zu regeln." Die aktuellen Meldungen zeigten, so Kremer, dass Europa endlich Datenschutz auf hohem Niveau brauche.

Der Geheimdienst ist sich der Brisanz seiner Schnüffelei bewusst: Das GCHQ führt Firmen in den internen Unterlagen unter Codenamen, stellt sogar ein eigenes Mitarbeiter-Team "für empfindliche Beziehungen" zur Verfügung, um den Kontakt zu den Unternehmen zu pflegen. Diese besonderen Vorsichtsmaßnahmen könnten darin begründet liegen, dass das GCHQ davon ausgeht, das seine Abhörmaßnahmen nicht mit den Verträgen zwischen den Kabel-Konsortien und ihren Partnern zu vereinbaren sind. Dem NDR liegt ein Nutzungsvertrag für SeaMeWe-3 vor, dem längsten Unterseekabel der Welt. Darin wird der Vertragsnehmer dazu verpflichtet, nur bei "rechtmäßigen Anfragen" Regierungen Zugang zu dem Kabel zu gewähren.

 

"Slowing down the internet"

Das massenhafte Abfangen und Auswerten von Kommunikation ist schon immer ein Kerngeschäft der Regierungsspione gewesen. In einem Punkt unterscheidet sich das Abhören eines Glasfaserkabels allerdings von den geheimen Radio- und Satellitenempfängern, die die Geheimdienstarbeit zum Beispiel während des Kalten Krieges geprägt haben: Um an die Informationen zu gelangen, die durch das Glasfaserkabel laufen, müssen die Geheimdienste physischen Zugriff zu dem Kabel haben. Das erfordert auch eine neue Stufe der Mitarbeit von Telekommunikationsfirmen: Wie die Unterlagen beweisen, hat beispielsweise BT nicht nur Software, sondern auch eigene Hardware-Lösungen zum Abhören des von BT betriebenen Glasfasernetzes zur Verfügung gestellt. Über eigens eingerichtete Abzweigungen, sogenannte "Feeder Lines", hat BT demnach das GCHQ mitschneiden lassen. BT erklärte dazu, dass "Fragen zur nationalen Sicherheit den jeweiligen Regierungen gestellt werden sollten, nicht den Telekommunikationsunternehmen."

 

Wie die Unterlagen belegen, hat der Geheimdienst alle Metadaten für bis zu 30 Tage, die Inhalte für drei Tage gespeichert. Intern spricht das GCHQ bei dem Vorgehen von "slowing down the internet", der Verlangsamung des Webs.

Die schieren Datenmengen, die die Briten auf diese Art ansammeln, stellen den Geheimdienst vor große Probleme: Ein Hauptziel sei momentan eine "massive Reduktion des Volumens" über verschiedene Filter. Konkret beschreiben die Unterlagen den Filter "HIASCO", mit dessen Hilfe Kommunikation aus Iran isoliert überwacht wird. Gleichzeitig ist in den Unterlagen vermerkt, dass das GCHQ versucht, das Abhör-Programm in andere Teile der Welt zu expandieren, um dort Zugriff auf weitere Glasfaser-Leitungen zu bekommen. Das GCHQ hat stets betont, sich bei seinen Abhöraktionen an das Gesetz zu halten.

Stand: 28.08.2013 18:25 Uhr