Benutzerprofil, Nutzungsszenarien

Bei der Entwicklung eines Multimediaprodukts soll man

  • den Mehrwert eines Mediums gegenüber anderen Medien definieren,
  • konkrete Szenarien für Nutzungssituation entwerfen,
  • Technik (Benutzerführung) und Inhalte auf klar definierte Zielgruppen abstimmen.

Benutzerprofil

BenutzerInnen gehen auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur, ihrer Erfahrung im Umgang mit dem Medium und dem Nutzungszweck mit unterschiedlichsten Erwartungshaltungen an eine Multimediaanwendung heran. Als GestalterIn sollte man sich darüber im klaren sein und konkrete Benutzer- und Nutzungsszenarien entwerfen.

Einige Benutzertypen in ihrer ausgeprägten Form gegenübergestellt (natürlich gibt es wieder alle möglichen Mischformen)

Typ: "Gebrauchsanweisung lesen"
Dieser Typ informiert sich am Anfang, was möglich ist, welche Inhalte angeboten werden, wie etwas funktioniert und steigt dann erst in die eigentliche Anwendung ein.
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Beim Einstieg (Intro) erklären, worum es geht, welche Möglichkeiten man hat, was zu tun ist,
einen Gesamtüberblick bieten.

Typ "Sofort drauflos klicken"
Dieser Typ beginnt in einen Bereich einzusteigen und erarbeitet sich im Probieren die Möglichkeiten der Anwendung.
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Keine langen Erklärungen vorweg,
eher begleitend kurze Erklärungen und Hilfen in den einzelnen Bereichen.

Typ: "Supermarkt"
Dieser Typ liebt das klar sichtbare, inhaltlich sortierte Angebot in den Regalen. Er weiß nach kurzem Gebrauch sehr schnell, wo die gesuchten Waren zu finden sind und schätzt das sehr. Da Supermärkte immer nach ähnlichem Schema aufgebaut sind, findet er sich auch in unbekannten Märkten schnell zurecht.
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Klare, übersichtliche, gut gegliederte Menüstrukturen.
Die Benutzerführung lehnt sich an den für viele gewohnten Mainstream an.

Typ "Flohmarkt"
Dieser Typ liebt es eher unsytematisch herumzustöbern, zu suchen und zu entdecken. Ist dabei ausdauernd und freut sich über unerwartete Entdeckungen.
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Anreize zum Herumstöbern in der Multimediaanwendung bieten und durch "versteckte Schätze" dieses (geduldige) Erkunden belohnen.
Vgl. versteckte Bonustracks auf einer CD, kleine Animationen oder Filmsequenzen während und am Ende eines Filmabspanns.
Typ: "Zapper"
Dieser Typ ist ungeduldig, langweilt sich schnell und muss laufend bei Laune gehalten werden.
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Kurze Informationsblöcke,
vermeiden von Wiederholungen,
jederzeit einen Ausstieg ermöglichen,
abwechslungsreiche, kurzweilige Gestaltungen.

Typ "Etwas zu Ende schauen können"
Dieser Typ ist geduldig und schätzt auch einen langsameren und breiteren Aufbau einer Geschichte, umfangreichere, vielschichtige Informationen.
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Angebote zur Vertiefung,
unterschiedliche Zugänge zu einem Thema anbieten,
längere Text-, Ton- oder Videoblöcke sind möglich.

Zielgruppen

Die oben angeführten Benutzertypen sind relativ zielgruppenunabhängig.
Darüber hinaus muss man bei einer Multimediaproduktion vor allem für das Design und Layout die anzusprechenden Zielgruppen klar definieren (wobei natürlich das Design und Layout primär vom Inhalt der Produktion abhängig ist):
Kinder, Jugendliche, Erwachsene,
welche Altersgruppe bei den Erwachsenen will man erreichen,
wie ist der kulturelle Hintergund der Zielgruppe,
soll eine bestimmte Szene, Subkultur angesprochen werden, welche ästhetischen Normen sind dort üblich usw.

Vertrautheit im Umgang mit dem Medium

Ungeübte NutzerInnen
brauchen länger, um einen Screen mit seinen Elementen zu erfassen, gehen sehr vorsichtig um (um nichts "kaputt" zu machen) und sind schnell verzweifelt. Unerwartetes wird schnell als eigener Bedienungsfehler interpretiert ("Was habe ich jetzt wieder gemacht?").
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Klare, übersichtliche und eindeutige Strukturen,
erläuternde Textelemente,
Guided Tours (die AnfängerInnen werden bei der Hand genommen),
Hilfen für den Einstieg, einfache Hilfefunktionen,
vertraute Metapher verwenden.

Geübte NutzerInnen
sind mit den visuellen Codes und der Handhabung des Mediums vertraut und können daher den Screen und dessen Elemente schneller wahrnehmen und interpretieren.
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Man muss nicht alles erklären,
"Visuelle Abkürzungen" und reduizierte Layouts sind möglich.
Z.B. ein kleines Dreieck in einer Ecke genügt als Hinweis, dass es hier weitere Informationen gibt oder ein Cursor, der sich bei Rollover in ein kleines Dreieck verwandelt, zeigt als Play-Symbol an, dass bei Klick etwas abgespielt wird.

Grundhaltung bei der Nutzung

Gezieltes Abrufen von Information
Mit dieser Grundhaltung möchten die BenutzerInnen möglichst schnell die für sie relevanten Informationen abrufen bzw. feststellen, ob sie diese Informationen hier überhaupt bekommen können.
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Überblick über alle angebotenen Informationen,
klare, logisch nachvollziehbare Gliederung der Inhalte, die sich in der Menüstruktur wiederspiegelt,
differenzierte Suchfunktionen,
Indizes, Glossare.

Entdeckender, spielerischer Zugang
Mit dieser Grundhaltung sind die BenutzerInnen offen für Neues, sind neugierig und haben in der Regel mehr Zeit zur Verfügung. Es geht ihnen um ein (zweckfreies) lustvolles Erlebnis, Spaß, Action, Wettkampf, Zeitvertreib, Entspannung, Eintauchen in eine virtuelle Welt.
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Der Spiel- und Forschungstrieb muss geweckt und immer wieder aufs Neue angeregt werden (z..B. durch Spiellevel, immer wieder geänderte Ausgangssituationen, Punkte mit Highscore-Listen),
ansprechendes Erscheinungsbild entwickeln,
Erlebnisse ermöglichen,
Identifikationsmöglichkeiten und Rollen anbieten,

Ziel sollte es sein, durch vielfältige Zugänge die unterschiedlichen Bedürfnisse der Benutzertypen zu erfüllen.


Beispiel für die Kombination von Information und spielerischen Elementen:

http://www.claracollins.com/archives/ (>Spring-Summer 2006, zusätzlich zur Präsentation der Kollektion ein spielerischer Daumenkinoeffekt)

Nutzungsszenarien

Die Nutzungsszenarien können vielfältig sein, aber grundsätzlich soll man überlegen,

  • ob eine Multimediaanwendung eher für den einmaligen Gebrauch, für eine gelegentliche oder eine permante Nutzung gedacht ist,
  • ob die Produktion eher für Informations-, Kommunikations und/oder Unterhaltungszwecke entwickelt wird,
  • wie der Ersteinstieg sich von Folgeeinstiegen unterscheidet,
  • wo und wie die Produktion konsumiert wird: zu Hause, in der Arbeit, alleine oder in Gemeinschaft.
User Centered Design

Unter dem Stichwort User Centered Design werden Entwicklungsprozesse zusammengefasst, die die BenutzerInnen ins Zentrum des Designprozesses stellen. Ein zentrales Element ist dabei die Erstellung von Personas.  Eine Persona ist eine fiktive Person mit konkreten Eigenschaften und einem konkreten Nutzungsverhalten, die eine Gruppe von NutzerInnen repräsentiert. Sie hat einen Namen, ein Alter, ein Geschlecht, einen Familienstand, eine Vorbildung, eine Karriere, einen bestimmten Level an Erfahrungen im Umgang mit Computern und Websites, konkrete Motivationen zur Nutzung der zu entwickelnden Anwendung und ein Foto, um der Persona ein Gesicht zu geben.

Die Grafik wurde entnommen von http://www.ergonomen.ch
Allen Abbildungen zu User Centered Design gemein ist die Darstellung des iterativen Prozesses.

Ergänzende und vertiefende Module